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Kanzelschreiber

Barmherzigkeit fragt nicht

Über die moralische Abschottung des Wohlstands

Zweifellos ist die Welt mehrgeteilt, zumindest zweigeteilt. Nämlich in die Besitzenden und die Besitzlosen. Und da du dies liest, gehörst du vermutlich zur ersten Gruppe, also zu den Gruppe-1-Menschen. Du sprichst perfekt Deutsch, hast ein gesichertes Einkommen und genügend Freizeit, um im Kanzelschreiber zu lesen. Dir geht's gut! Nun ja, die Gesundheit ... aber die kriegt man auch als Gruppe-1-Mensch nicht ständig frei Haus geliefert, die Therapie aber schon. Siehst du, da haben wir wirklich einen großen Vorteil. Und wir können uns getrost auf die Schulter klopfen, weil wir uns durch unser unermüdliches Trachten nach Mehrung des Reichtums dies alles verdient haben. Ich arbeite dafür aber auch lange und hart. Gut "hart", das ist bei Kopfarbeit so eine Frage. Der Schweiß läuft mir dabei nicht in Strömen herunter, höchstens wenn ich aus Unachtsamkeit eine Datenbank zerschieße, sonst nicht. Im meinem Metier ist Schweiß etwas für die Freizeit. Kurzum, ich fühle mich als wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft. Unserer Gesellschaft, wohlgemerkt, der Gesellschaft der Gruppe-1-Menschen. Ich kann also in höchster Selbstgerechtigkeit sonntags vor den Altar treten und Gott danken, dass ich nicht so bin, wie die Gruppe-2-Menschen, die sich wie Maden in unseren Wohlstand flüchten möchten. Ja, sie haben Fluchtgründe, sicher auch gravierende, sie werden vielleicht daheim mit Kerker, Folter und Tod bedroht. Aber muss ich wirklich alle Probleme der Welt kennen? Wer brav seine Steuern zahlt, auch Kirchensteuer und dann den Sternsingern spendet, der muss sich doch auch mal gerecht zurücklehnen dürfen, und zwar ohne schlechtes Gewissen.

Der undankbare Flüchtling

Das Problem fing an, als ich in Publik Forum auf das Buch "Der undankbare Flüchtling" aufmerksam wurde, es hat den Sophie-Scholl-Preis erhalten. Ich redete mit einer meiner Töchter darüber, dass ich überlegte, es zu kaufen. Dabei hing die Kaufentscheidung nicht vom Preis ab, sondern von der Thematik und der Tatsache, dass ich damit in Berührung kommen würde. Ich zögerte. Es ist das eine, wenn ich weiß, dass es Misshandlung gibt, aber nicht weiß, dass nebenan jemand jeden Tag misshandelt wird und etwas ganz anderes, wenn ich von dieser Misshandlung weiß. Da stehe ich dann schon ganz anders in der Verantwortung. Die Entscheidung zum Buch wurde mir abgenommen, denn an Heiligabend fand ich es unter dem Christbaum und es war definitiv für mich. Und so begann ich zu lesen. Es ist kein Buch, das man an dunklen Winterabenden in der wohligen Stube liest, in das man gerne eintaucht. Das Buch lässt das Grauen herein. Grausamkeit, die man nur absatzweise ertragen kann. Die Autorin erzählt mit einer Banalität, als wäre es die Beschreibung des Alltags und der tägliche Gang zum Zeitungskiosk, das ist das Verstörende daran, von einem Alltag zu lesen, den wir als das pure Grauen bezeichnen würden.

Keine Eintrittskarte

Für den heutigen Neujahrsgottesdienst hatte ich keine Eintrittkarte ergattern können - schon wieder. Wobei ich natürlich auch zugeben muss, dass mir das häufig sogar recht ist. Gottesdienstgemeinschaft und Abstandsregeln sind eine berührungslose Umarmung und wie sollte es dann berühren. Singen auch noch verboten. Praktisch Maximalungemeinschaft. Die Trennung von Tisch und Gebet. Wir leben im kirchlichen Trennungsjahr und es wird bald viele Scheidungen geben. Im Radio lief die katholische Morgenfeier mit Pfarrer Markus Bolowich. "Barmherzigkeit fragt nicht, sie hilft!" Dazu das Gleichnis vom barmherzigen Samariter und Gedanken, die dazu geeignet sind, unsere sorgsam errichtete Moralfassade, also die Moral der Gruppe-1-Menschen, zu durchdringen. Wir haben unsere Wohltätigkeit institutionalisiert. Caritas, Misereor, Welthungerhilfe und und und. So viele Hilfsorganisationen, so viele Spenden, so viel Gutes, da muss es ja auch mal gut sein. Als Steuerzahler und Spender steht mir das Prädikat "Gutmensch" absolut zu. Was soll ich denn bitteschön noch tun?

Sterntaler

Freilich fällt mir da das Märchen Sterntaler ein, von dem Mädchen, das fast nichts hatte und doch gab, bis es tatsächlich gar nichts mehr hatte. Aber Sterntaler funktioniert halt im richtigen Leben nicht, Taler regnet es nur nach fleißiger Arbeit, Samaritertum ist der Feind meines Geldes. Freilich gibt es bandenmäßigen Betrug der Hilfsbereitschaft, seien es organisierte Bettlertrupps oder betrügerische Spendensammler, aber gibt uns das einen Freibrief? Entlässt uns der Umstand, dass betrogen wird pauschal von der Pflicht zu helfen? Löscht die Feuerwehr nicht etwa auch das Haus des Brandstifters? Wenn wir in den Bergen einem in Not gekommenen Wanderer begegnen, helfen wir selbstredend. Aber auch dort beschränkt sich das auf "Bergnot". Gut, in den Bergen trifft man keine Bettler, die zerlumpt am Wanderweg lungern. In den Bergen ist die Hilfe noch edel und man weiß, dass man der Bergwacht nicht die Butter from Brot stiehlt, wenn man Hilfe leistet. Aber unten im Tal, ja wie soll man denn da überhaupt noch zu etwas kommen, wenn man sich jeder Hilfsbedürftigkeit annähme?

Der Samariter

Jesus erzählt in einem Gleichnis von einem Mann aus Samarien, der einem Überfallopfer half, vielleicht das Leben rettete. Er nahm sich für diesen Hilfsbedürftigen Zeit. Es ist eins der unbequemsten Gleichnisse Jesu, denn der Samariter war offensichtlich reich. Er bezahlte für die Unterbringung und Behandlung. Er war ein Gruppe-1-Mensch und trotzdem tat er was zu tun war, was richtig war, was essentiell zum Menschsein gehört. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter durchbricht unseren Schutzpanzer, da hilft er nicht, wir können nur weghören. Nein, wirst du sagen, ich absolvierte einen Erste-Hilfe-Kurs und würde anhalten und helfen, wenn jemand einen Unfall hatte. Aber wie wäre es mit Bezahlen der Behandlungskosten, sollte sich herausstellen, dass das Opfer nicht versichert ist? Auch da wirst du sagen, dass unser Sozialsystem dafür aufkommt und es diesen Fall nicht gibt. Und wenn dieser Unfall kein Unfall war, sondern der Mann einer Schlägertruppe radikalisierter Islamisten und noch dazu in seinem Heimatland zum Opfer fiel und wenn sie drohen wieder zukommen um ihn zu töten und er sich zur Flucht entschließt, dafür aber Geld braucht, viel Geld. Wenn du zwar dieses Geld hättest, es aber für den nächsten Urlaub bestimmt ist. Wenn du also konkret vor der Wahl stehst, ob du auf deinen nächsten Urlaub verzichtest, oder diesem Menschen das Leben rettest. Ja, dann? Dann retten wir uns mit Allgemeinplätzen und Totschlagargumenten. Und dass man ja schließlich nicht dafür verantwortlich sei. Und um den Druck abzubauen erfinden wir den Status des Wirtschaftsflüchtlings, der daheim nichts zu befürchten hat und hier nichts zu suchen. Und wenn er beim Asylantrag darauf insistiert, dass ihn die Schlägertrupps daheim mit dem Tod bedrohen, dann machen wir halt eine schriftliche Anfrage beim Regime, ob sie die Bedrohungslage bestätigen.

Die Abstumpfung der Barmherzigkeit

Und all das macht der Barmherzigkeit den Garaus. Denn sie fragt nicht. Und wir fragen nicht, denn wir wollen, dass alles so bleibt. Dass die Welt im Urlaub bunt sein darf, daheim aber bitte vor allem weiß und kleinkariert. Dass wir den Klang fremder Sprachen im Urlaub als exotisch empfinden, daheim aber als Bedrohung. Denn nur so können wir den Status als Gruppe-1-Menschen erhalten, die hoffentlich bald wieder ihre Flugreisen machen können und sich mit Geld von den Nöten der Welt freikaufen. Ja durch ihr Verhalten sogar weitere Probleme verursachen, weil der Einzelne für sich in Anspruch nimmt, das Klima nicht retten zu können. Ich habe mit diesem Buch erst begonnen und ich lese es in verdaubaren Stücken und ich habe durchaus ein mulmiges Gefühl, ob meine selbstgerechte Fassade dem Inhalt standhalten wird. Vielleicht wäre vieles leichter und menschlicher und sorgsamer und auch selbstverständlicher, müssten wir alle regelmäßig solche Bücher lesen.

Freu dich, du liaba Christ!

Die Verunglimpfung des ehrbaren Handwerks

In der Adventszeit klingt es zwei- oder dreistimmig im Radio und bei vielen Adventveranstaltungen, wenn nicht gerade wieder Corona ist. "Freu dich, du liaba Christ, iatz is die Zeit bald um." Man hört es auch in der Weihnachtszeit, weil scheinbar die wenigsten den Unterschied kennen. Dabei ist es ganz klar, der Advent ist die Zeit des Geschenkekaufens und ab Weihnachten werden Geschenke umgetauscht und Gutscheine eingelöst. Und damit man etappenweise in die "gute alte Zeit" eintauchen kann, da in Mutters Stübele noch der Hm Hm Hm wehte und zum Erfrieren einlud, dreht man das Radio auf oder rafft sich zu einem Adventsingen auf. 

Man könnte ja meinen, solche Adventlieder werden in bester Absicht verfasst aber hört man mal genauer hin, dann erlebt man manchmal Überraschungen, die nur aus abgrundtiefer Verachtung geboren sein können. So ist das auch mit dem Lied "Freu dich, du lieba Christ", man möchte es nicht für möglich halten. Und wie perfide die Verunglimpfung eines ehrlichen Berufsstandes den adventlichen Frieden im Kerzenlicht durchfluteten Stübchen der heiligen Familie vergiftet, erkennt man erst auf den zweiten oder dritten Blick. Und man sieht förmlich, wie Josefs Gesicht zunächst Verblüffung zeigt, dann zu Unglauben wechselt bis er schließlich zornesrot den Hammer durch die Stube feuert und den Sängern am liebsten an die Gurgel spränge, wäre ihm das als heiliger Mann nicht strengstens und von ganz oben her untersagt. Aber irgendwo hat auch die Heiligkeit ihre Grenzen. Und eines Tages wird er wohl seinen Hammer doch zielgerichtet gegen die Sänger schleudern.

Wie kommt den jemand überhaupt auf die Idee, ein Adventlied für wie auch immer geartete Racheakte zu missbrauchen. Vielleicht ein Hinauswurf aus der Lehre, aber ist da wirklich die Schuld beim Handwerksmeister zu suchen? Wäre da nicht ein bisschen Reflexion, ein bisschen Selbsterkenntnis angebracht, bevor man seinen Zorn in ein Lied verfrachtet, mit dem dann ganze Adventgenerationen nichtsahnen dem heiligen Josef mangelndes Geschick vorwerfen?

Was können sie denn, diese Duos und Dreigesänge. Eine Terz von einem Notenblatt absingen und meist nicht mal das, sondern höchsten nach gefühlt ewigem Vorsingen ein bisschen Nachsingen. Und selbst das klappt nur, wenn sie den Ton treffen oder der sogar vorgespielt wird. Unvermögen in Perfektion, das mal mehr, mal weniger gelingt. Aber im Advent verzeiht man vieles und ist versucht, nur die gelungenen Töne zu hören, weil man ja auf Friedenstripp ist. Und dann haut man dem Josef eine gesungene Fotzn runter, dass die Nägel aus dem frischgezimmerten Bettstattl fliegen. Und das immer und immer wieder. Vom ersten bis zum vierten Advent, erst dann hat der gute Mann wieder für ein knappes Jahr seine Ruhe.

Dabei lassen es die Sänger und Sängerinnen in der ersten Strophe noch recht besinnlich und rührseelig angehen. "Freu dich, du liaba Christ, hiazt is die Zeit bald um. Drin im kloan Nazareth, schau ei amoi in d'Stubn!" Und doch erfolgt bereits in der ersten Hälfte der ersten Strophe ein perfider Angriff auf den heiligen Josef, weil man ihm nur eine Stube gönnt, in die man scheinbar und nach Belieben ohne weiteres von draußen reinschauen kann. Hier wird schon das Fehlen von Vorhängen kritisiert und das Erdgeschoss scheint sehr niedrig zu sein, folglich das ganze Haus nicht sonderlich stattlich. Jedenfalls eines Zimmermanns nicht würdig.

Aber erst in der zweiten Strophe holt der Verfasser, also jener nichtsnutzige Lehrling zum Tiefschlag aus: "Da Josef, da heilige Ma, zimmert 's Bettstattl zamm, so guat er ka." Das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen. "so guat er ka", Josef, ein Zimmerermeister. Falls hier jemand meint, dass damit ausgedrückt werden solle, dass Josef all seine Fähigkeiten in das Zimmern einer Kindbettstatt legte, der verkennt, dass das Zimmern einer Bettstatt wohl keine sonderlich große Herausforderung für einen Zimmermann ist. Dass besagter Blindgänger von Lehrling hier schon mal den Beruf des Schreiners mit dem Zimmermann verwechselte ist mehr als Beweis für die Unfähigkeit dieses Taugenichts und Tagediebs. Dass sich aber die ganze Adventsinggemeinschaft jedes Jahr auf's neue singfertig zum Vollstrecker dieses missratenen Abschaums eines Versagers macht und dabei in bodenloser Gemeinheit die ehrbare Zunft der Zimmerer verunglimpfen darf, das zeigt mal wieder, wie gedankenlos wir Menschen sind.

Die Wiederentdeckung des Kreises

Warum ein lineares System in der Katastrophe enden muss

Wer kennt sie nicht, die berühmte Reise um die Welt, in der Jules Verne seinen Protagonisten Phileas Fogg samt Diener Passepartout in 80 Tagen um die Welt reisen ließ. Niedergeschlagen kehrte er einen Tag zu spät heim, weil er eines nicht bedachte, dass er während seiner Reise die Datumsgrenze überschritt und folglich doch noch rechtzeitig eintraf, was ihm 20.000 Pfund Sterling aus einer Wette einbrachte, mit denen er die 19.000 Pfund Reisekosten ausgleichen konnte. Fogg kehrte also zum Ausgangspunkt zurück und hatte 1.000 Pfund gewonnen. Eine Reise als Gewinn, das ist die Idealvorstellung, wären da nicht die 19.000 Pfund, die der Welt ihre Ressourcen abkauften. Zwar beschrieb Foggs Route keinen Kreis, wohl aber eine geschlossene Linie.

Der Kreis ist die idealform des Lebens

Der Kreis ist ein uraltes Symbol des Wiederkehrens. Stonehenge ist ein Kreis, die Urvölker Nordamerikas ehren den Kreis. Wenn wir auf Augenhöhe diskutieren, versammeln wir uns am runden Tisch.  Der Tageskreis hat 24 Stunden. Der Jahreskreis schließt sich nach 365,2426 Tagen. Selbst der Lebenskreis ist bemessen. Und auch der Kreis des Kosmos beginnt mit einem Urknall und endet mit der Rückkehr aller Energie und Materie zu einem einzigen Punkt, der in einem neuen Urknall die nächste Kreisbahn beginnt.

Bedenkt man das Schicksal des Kosmos, so scheint alles Streben, Schaffen und Gestalten sinnlos, aber kosmische Abläufe sind außerhalb menschlicher Zeitspannen, damit außerhalb unseres Vorstellungsvermögens. Selbst wenn wir die Zeit des kosmischen Kreises mathematisch darstellen können, sie bleibt unbegreiflich. Unser Vorstellungsvermögen begrenzt sich auf die Abläufe eines Menschenlebens. Auch diese Vorstellungs wächst erst mit den Jahren. Alles andere mag man zwar als Begreifen bezeichnen, es entzieht sich jedoch unserer Vorstellungskraft. Die gut zweitausend Jahre seit Christi Geburt  sind für uns nicht als Zeitspanne vorstellbar. Die Zahl begreifen wir wohl, aber sie ist abstrakt. Fünfundzwanzig Menschenleben, wie lange ist das, wie fühlt sich dieser Zeitraum an? Und wenn es darum geht, ein Atommüllendlager zu errichten, das mehrere Hunderttausend Jahre halten soll, dann kann man das halt nur noch berechnen, denn dieser Zeitraum liegt unendlich weit außerhalb unserer Vorstellung.

Sich auf ein Experiment einzulassen, dessen Dimensionen außerhalb jeglicher Vorstellungskraft liegt, das ist so ein typisch menschliches Ding. Da nämlich die Lösung des Problems außerhalb der eigenen Lebensspanne liegt, braucht man sich auch nicht damit zu beschäftigen, das Problem ist abstrakt. So wie das auch mit dem Geld ist. Milliardenbeträge sind für uns nicht vorstellbar, weil es nichts in unserem Leben gibt, das man mit so einer großen Summe messen könnte. Folglich ist es wesentlich einfacher, eine Milliarde für ein Corona-Hilfsprogramm auszugeben als 300.000, denn das können wir uns in Form eines Hauses ziemlich gut vorstellen. 300.000 haben eine vorstellbare Größenordnung, eine Milliarde nicht.

Das Klima unserer Enkel

Insofern wäre es schon praktisch und unserem Überleben zuträglich, wenn Klimaabläufe nicht so verdammt lange dauern würden. Wenn wir heute anfingen, komplett umweltverträglich zu leben, dann würden erst unsere Enkel davon profitieren. Tun wir es nicht, haben sie die Folgen unseres Tuns zu tragen, aber das ist ja erst nach unserem Lebenskreis. Folglich können wir die Früchte des erforderlichen Verzichts in Form glücklicher Enkel und Urenkel nicht mehr genießen. Deren Wohlergehen ist also eine abstrakte Größe.

Wir teilen uns die Erde momentan mit 7,8 Milliarden Menschen und wir werden noch mehr. Da aber nun mal die Erde eine Kugel ist und dergestalt eine sehr exakt definierte Oberfläche hat, deren bewohnbarer Teil noch dazu durch steigende Ozeane kleiner wird, müssen wir zwangsläufig enger zusammenrücken. Wie weit die Bevölkerung noch ansteigen wird, das lässt sich nicht so genau sagen. Die Forschung geht von maximal  11 bis 14 Milliarden aus. 1960 zählten wir 3 Milliarden. Erst ab dem Jahr 2100 wird die Weltbevölkerung wieder sinken. Sie muss es, denn die Erde setzt Grenzen. Mit der Weltbevölkerung explodierte der Ressourcenverbrauch und setzte den Klimawandel in Gang, der dazu führt, dass sich die mögliche Maximalpopulation Mensch reduziert.

Ressourcenverbrauch muss auf weniger als 38% runter

Heute sind wir also 2,6 mal so viele Menschen wie 1960. Würden wir also verantwortlich mit den Ressourcen umgehen, dürfte wir je Mensch nur mehr 100% : 2,6 = 38% verbrauchen. Das allerdings nur unter der Voraussetzung, dass unser ökologischer Fußabdruck 1960 ausgeglichen war. Er war es natürlich nicht. Folglich müssen wir auf deutlich weniger als 38% des Niveaus von 1960 runter, soll es für unsere Enkel und Urenkel eine bewohnbare und lebenswerte Erde geben. Da wir heute auf deutlich höherem Niveau als 1960 leben und 1960 zumindest im Westen schon mehr als möglich verbraucht wurde, liegt das erforderliche Ziel bei einem Bruchteil unseres heutigen Verbrauchs. Wer das für unmöglich hält, der soll einen Ausweg nennen. Jeder Luxusverbrauch geht auf Kosten der folgenden Generationen. Das heißt nicht, dass wir künftig auf jeglichen Luxus verzichten müssen, aber wir müssen diesen Luxus nachhaltig gestalten. Alle Treibstoffe müssen synthetisch hergestellt werden und den Kohlenstoff aus der Luft holen. Bodenbewirtschaftung, die Erosion verhindert, die Vielfalt des Lebens schützt und damit dauerhafte Bodennutzung garantiert. Minimale Ausbeutung von Rohstoffen, dafür eine maximale Recyclingquote. Das geht aber nur, wenn das schon bei der Produktion berücksichtigt wird. Wir brauchen möglichst langlebige Produkte und wir müssen aus der linearen Wachstumsspirale raus. Wachstum muss komplett vom Ressourcenverbrauch abgekoppelt werden damit nicht alles den Bach runter geht. Wachstum muss ressourcenneutral sein.

Aber selbst wenn wir ab heute alles richtig machen, ist der angerichtete Schaden schon enorm. Wir haben ja recht wenig Vorstellung, was zwei Grad Erderwärmung bedeuten oder gar drei. Erderwärmung gibt es ja in unserem Erfahrungspool nicht. Mal einen heißen Sommer, damit kommen wir klar. So einen, wie ihn Rudi Carrell herbeigesungen hat. Und dann kamen ja die Klimaanlagen in unsere Autos, freilich mit Sprit betrieben. Womit sonst? Und italienische Eisdielen überzogen das Land, was heiße Sommer auch noch genussvoll machte. Freilich, die Winter, der Schneemangel. Aber mit Schneekanonen war auch das zu lösen. Aktuell können wir schon bei -2,5° beschneien und mit etwas Chemie schaffen wir es vielleicht sogar bei Plustemperaturen. Und wenn sich die Skipisten durch saftiges grün oder verdorrtes braun schlängeln, man wird sich daran gewöhnen. 

Tanz auf dem Vulkan

Irgendwie fühlt sich das alles an wie die goldenen Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts. Als es überall brodelte und trotzdem oder gerade deswegen der Tanz auf dem heißen Vulkan ausschweifend alles vergessen ließ. Die Katastrophe kam und der Tanz war vorbei. Aber damals ging es um Wirtschaft und Politik. Gegen das Klima kann man nicht kämpfen, man kann es nur schützen. Man kann die Aggression des Klimas nicht mit Weltkriegen befrieden. Und trotzdem ist es ein Kampf, vor allem ein Kampf gegen unseren inneren Schweinehund, der sich trickreich alle möglichen und unmöglichen Ausreden für unsere Klimasünden zurecht legt. Deshalb wird man das Klima wohl nicht mit Appellen retten können. Es wird das liebe Geld sein, das unser Klima rettet. Und zwar in Form von hohen Preisen und Strafen. Der Preis ist das wirksamste Mittel. Strafen braucht man eigentlich nur für jene, denen der Preis egal ist, die Mitglieder des Clubs der Superreichen, von denen es mittlerweile so viele gibt, dass man auch deren Klimasünden eindämmen muss. Oh, das wird sicher weh tun. Aber wenn sich Nachbars ihren Sonnenbrand nicht mehr auf den Malediven holen, dann brauche ich das vielleicht auch nicht mehr.

Die Banalität des Kleinods

Wer seinen Stress regelmäßig durch Entfliehen ans andere Ende der Welt abbauen muss, sollte ihn besser vermeiden. Immerhin reduzieren die eingesparten Reisekosten schon jede Menge Arbeitsstress. Corona zeigt uns aktuell, wie reduziertes Leben geht. Wohl jeder hat seither viele kleine und große Entdeckungen gemacht, Kleinode gefunden, die eigentlich schon immer da waren. Aber da sie hier waren, fielen sie der Banalität anheim. Hier ist ja immer, das kann ich mir für später aufheben, den Himalaya nicht. Ist also das Zurückfahren unserer Luxusansprüche tatsächlich ein Verlust an Lebensqualität? Oder nur eine Änderung der Lebensqualität? Wenn ich im Verdichtungsmodus die USA bereise und in großen Sprüngen die Hotspots besuche, ist das mehr Urlaub, als wenn ich mich auf eine Region konzentriere und damit weniger aber längere und intensivere Erlebnisse haben werde? Wenn ich die Alpen erkunde und dabei nur die Hotspots abklappere, das Matterhorn, den Mont Blanc, den Ortler, den Großglockner, nach Möglichkeit auch noch per Auto oder Seilbahn möglichst schnell möglichst hoch hinauf. Habe ich dabei wirklich etwas gewonnen? Macht Jakobsweg mit ICE einen Sinn?

Erleben im Menschenmodus

Unsere Sinne sind unseren körperlichen Möglichkeiten angepasst. Bei Fortbewegung also dem Gehen. Die Aufnahmefähigkeit, das Zusammenspiel Kurz- und Langzeitgedächtnis funktioniert im Schritttempo. Insofern ist jeder Versuch der Beschleunigung vom Grundsatz her zum Scheitern verurteilt. Es gibt keine Gemütlichkeit-to-go. Jeder Versuch ist sinnloser Selbstbetrug. Ein Tal durchwandern, den Berg zu besteigen, darauf sind wir konditioniert. Das ist es eigentlich, was wir sollten; der Umwelt wegen und auch unserer Bedürfnisse. Durch die Welt zu zappen, als wäre sie ein reality TV kann nicht funktionieren und schon gar nicht für die Umwelt und unser Klima. 

Meister des Verzichts

Diogenes von Sinope war ein Meister des Verzichts und so ging er jeden Tag auf den Marktplatz um festzustellen, was er alles nicht braucht. Besitz macht reich aber nicht automatisch glücklich, oft sogar unglücklich. Und wenn Besitz reich macht, kann und muss Besitz andere ärmer machen. Denn Besitz kommt entweder aus Allgemeingut oder dem Gut eines anderen. Was die Frage aufwirft: Wem gehört die Natur und wem das Klima? Und wer hat folglich das Recht, das eine zu vernichten und das andere zu schädigen? Eigentum verpflichtet! Das sollte man jedem Autobahnraser auf die Windschutzscheibe kleben. "Flugreisen schaden dem Klima!", sollte auf jedem Flugticket für eine Urlaubsreise stehen. Denn dabei wird Allgemeingut geschädigt. Der Eigennutz wird zum Schaden der Allgemeinheit. Genuß auf Kosten anderer.

Die Zeit der Ausreden

"Nur einmal im Leben eine Kreuzfahrt", "nur einmal im Leben in die Südsee", "nur einmal die majestätischen Gipfel des Himalaya sehen", "nur einmal das Taj Mahal", "nur einmal". Ein unerfüllbares, da unlösbares Problem, denn das würde unsere Erde nicht verkraften, wenn jeder Mensch sich nur einmal so ein Quadratsünde gönnt. Zu Selbstfindung nach Neuseeland, zum Studiumsabschluss in die Anden, zur Beendigung der Sinnkrise in die Sahara. Alles möglich, aber bei den heute dafür eingesetzten Energiequellen leider extrem schädlich. Da sich aber diesen Luxus nur ein Bruchteil der Menschheit leisten kann, funktioniert es halt noch. Ein Problem ist es trotzdem. Würde aber jede dieser Luxusreisen mit Klimamaßnahmen kompensiert, dann wäre schon viel geholfen. Aber passt Klimakompensation zu unserer Schnäppchenphilosopie? Um also weiterhin solche Trips guten Gewissens machen zu können, müssen adäquate Klimakompensationen eingebaut werden. Ja, das macht es teuer und noch weniger werden es sich leisten können. Aber will man die Klimaerwärmung begrenzen, ist das absolut alternativlos. 

Oh, man könnte durchaus schon weiter sein, aber man hielt es nicht für nötig. Der Kredit der Enkelkinder und Urenkelkinder ermöglichte uns einen sorglosen Tanz auf dem Vulkan. Man musste nur die Augen schließen. Aber jeder Traum ist einmal ausgeträumt und dann ist Realität, ob sie uns gefällt oder nicht.

Das Jahr der Maske

Und was man dahinter verbergen kann

Zweifelsohne wird 2020 als das Jahr der Maske in die Geschichte eingehen. Zunächst wurden die Masken flugzeugweise und mit Polizeischutz aus China eingeflogen, dann produzierten wir selber auf Teufel komm raus und wir lernten Gesichter anhand der Augenpartie zu erkennen. Ja, man kannte sie, diese grünlichen Masken, vor allem wenn man einmal einen OP von innen sehen durfte, aber ansonsten waren Masken eher im Fasching zu verorten. Mit einer Maske konnte man jede Rolle über das Gesicht ziehen und so unerkannt die Sau raus lassen.

Im Kölner Bistum hat man nun die Maske der Scheinheiligkeit aufgesetzt. Auch eine Möglichkeit, der Wirklichkeit aus dem Weg zu gehen und die geweihten Perversen weiterhin mit kindlicher Unschuld zu versorgen. Nun ja, man kann nur darauf hoffen, dass beim Eintritt ins Jenseits alle Schandtäter und Vertuscher dem von ihnen so gern propagierten großen Strafgericht vorgeführt werden und dann per Fahrstuhl ab ins warme Untergeschoss, wo letztendlich ewige Gerechtigkeit gefoltert wird.

Das mag zwar gerecht sein, den Opfern hilft das wenig. Freilich kann man das Übel nicht an der katholischen Kirche festmachen, es ist leider weiter verbreitet, aber die katholische Kirche ist definitiv im Missbrauchsboot ein entscheidender Faktor und scheint die Täter nach wie vor mehr zu schützen als die Opfer. Gottes Mühlen mahlen langsam. Das sieht man zum Beispiel an der zögerlichen Entfernung von Straßenschildern, die nach Übeltätern jedweder Art benannt wurden. Immerhin mussten bis zu einhundert Jahre vergehen, bis man sich dazu durchringen konnte.

Ja wie ist das eigentlich, wenn einer (ebenso natürlich "eine") Großes für die Menschheit getan hat, sich aber gleichzeitig an was und wem auch immer empfindlich versündigt hat? Darf man das Gute losgelöst betrachten? Bei Kunst tut man das gerne. Wenn da einer ein Genie ist oder war, verzeiht man nahezu alles. "Er ist ein Künstler, ein Exzentriker, das muss man verstehen." Muss man? Jedem Otto Normalverbraucher würde man diese Milde nicht zuteil werden lassen.

Die katholische Kirche gewährt diesen Täterschutz ihren Perversen seit jeher und scheint - siehe Köln - nicht die Absicht zu haben, das zu ändern. Das mag früher funktioniert haben, früher, als Kirche nicht freiwillig war und die Schwarzröcke Narrenfreiheit ebenso genossen wie ausübten. Der schwarze Talar ein Abbild der Verkommenheit, mit einem kleinen weißen Kragen. Wie konnte das so entarten? Wer konnte das so lange zulassen? Und wer um Himmels willen kann das noch immer?

Ich erinnere mich an einen Erntedanksonntag, als ein Mädchen während der Kommunionausteilung die vielen Gaben am Altar bestaunte und dabei das Nahen des Pfarrers übersah. Dieser versetzte ihm eine schallende Ohrfeige und gab ihm dann die Kommunion. Was war das Vergehen? Würde dieses Mädchen heutzutage noch mal eine Kirche betreten? Aber so war das damals und so mancher Bischof denkt wohl, dass es wieder so sein müsse. Die Kirche als oberste Moralinstanz, die ihren eigenen Ansprüchen selbstredend nicht gerecht werden braucht, da ja geweiht.

Aber die Zeiten haben sich geändert und welcher Bischof auch immer das nicht wahrhaben will, leistet der Kirche ein Bärendienst und gräbt am Fundament. Kirche muss im Dienst der Menschen stehen, will sie überleben. Selbstgerechtigkeit und Täterschutz vergiften die Beziehung zum mittlerweile sehr säkularen Volk der Mitglieder und werden wohl jedem Sympathisanten eine mahnende Warnung sein. Mag ja sein, dass die katholische Kirche in armen Regionen nach wie vor ihre Anhängerschaft in seelische Abhängigkeit verführen kann, in aufgeklärten Regionen wird sie verlieren und da kommt ihr Geld her, was ihr nach wie vor sehr wichtig ist, wie die vielen vatikanischen Finanzskandale zeigen und der Protz einiger ihrer Würdenträger.

Die Kirche muss einen Mehrwert bieten, denn die Basis weiß längst, dass sie der katholischen Kirche keine Eintrittskarte für's Paradies abkaufen muss. Aber um dass zu erkennen, müsste die katholische Kirche sich von der Herrscherin zur Dienerin wandeln, ganz im Sinne Jesu. Und sie muss ihre adelsgleiche Hierarchie dorthin legen, wo sie hingehört: In die hinterste und für immer verschließbare Kammer. Wer sich da als "Exzellenz" anreden lassen will, sollte schleunigst entmachtet und entsorgt werden. Die Beziehung zu Gott braucht keinen Mittler, wohl aber Übung. Die Aufgabe der Kirche wäre am ähnlichsten der eines religiösen Fitnessstudios. Aber kann sie das? Wenn die Betroffenen über die Zulassung eines Gutachtens entscheiden, kann das nicht funktionieren. Ebensowenig wie ein synodaler Weg erfolgreich sein kann, bei dem eine Seite das Vetorecht hat. Solange die Mitglieder der katholischen Kirche sich das aus Ehrfurcht vor dem Klerus gefallen lassen, wird das vielleicht funktionieren. Aber diese Ehrfurcht schwindet, vor allem in Anbetracht der sich immer deutlicher manifestierenden Unfähigkeit der Amtskirche, die Zukunft zu akzeptieren. Wer an der Vergangenheit festhält, geht mit ihr unter.

Sieben auf einen Streich

König Markus, das neue tapfere Schneiderlein

Mal ehrlich: Allzuviel Mut kann man der katholischen Kirche in der Coronakrise nicht vorwerfen. Sie hat sich jegliche Einschränkung brav auf's Auge drücken lassen. Abstand, Maske, Singverbot, ja sogar die Heizung ist aus. Dass sich die Kirchenfürsten ausgerechnet für die Mundkommunion eingesetzt haben, ist für einen aufgeschlossenen Katholiken einigermaßen peinlich. Und jetzt auch noch die Mitternachtsmette mit straffreiem Hin- und Heimgang passé. Alle sieben bayerischen Diözesanbischöfe stürmten in die Staatskanzlei und forderten den König zum Duell heraus. Aber das wurde dem Selbstgekrönten dann doch zuviel. Wie können sie es wagen, das königlichen Ausgangsverbot in Frage zu stellen?  Und er tat es dem tapferen Schneiderlein nach und erledigte alle Sieben auf einen Streich. 

Somit wird das Jesuskind heuer wegen mangelnder Flexibilität nicht wie gewohnt zur mitternächtlichen Stunde das Licht der Welt erblicken. Wobei Historiker sowieso davon ausgehen, dass der 24. Dezember aus strategischen Gründen festgelegt wurde. Immerhin ist der 24. Dezember der Geburtstag ausgesprochen vieler Heilsbringer und bei denen ist es nicht minder konstruiert. Dass es Mitternacht sein muss ist ebenso lediglich Tradition. Darf man Traditionen so einfach über Bord werfen? Täten wir es nicht, säßen wir noch immer in afrikanischen Baumkronen.

Es wäre also mit ein bisschen Flexibilität durchaus möglich, eine Mette an Heiligabend anzubieten. Aber diese Flexibilität fehlt halt auf breiter Linie, wie der Einsatz für die Mundkommunion ganz typisch zeigt. Als ziemlich aus der Zeit gefallen präsentiert sich die Kirche im 21. Jahrhundert. Mit einem Kirchenadel, den wir schon mal deutlich weniger abgehoben erlebten. Wer sich von Glaubensbrüdern und -schwestern mit Excellenz anreden lässt, hält nichts von eine geschwisterlichen Kirche und Jesu Ratschlag an jene, die die Größten sein wollen.

Distanz ist der sicherste Schutz vor Ansteckung. Die Wirtschaft hat ihre langjährigen Vorbehalte gegen Homeoffice abgelegt. Seit Jahren wird uns der päpstliche Segen Urbi et Orbi per Fernsehen übertragen. Warum also nicht Homechurching? Die Technik ist da, auch zum gemeinsamen Singen und Beten. Und wer weiß, wie lange die Hostie per Zustelldienst noch auf sich warten lässt, oder es kommt die Cyberhostie, die man unkonsekriert daheim im Vorratsbehälter bereit hält und vom Priester während der Online-Messfeier per Mausklick verwandelt wird. Eventuell sogar mit einer Messe aus der Mediathek. Unmöglich sagst du? Wart's ab! Die Zukunft war schon immer für Überraschungen gut. Und wenn die Wissenschaft recht hat, dann sind wir sowieso zu völlig unterschiedlichen Zeiten in der Kirche, ohne es zu merken. Ich stelle mir das so vor, dass der Geistliche im Mittelalter am Altar erscheint, während ich im 21. Jahrhundert in der Bank sitze und trotzdem sehen wir uns, als wären wir zur gleichen Zeit da.

Wer glaubt, dass sich nichts ändert, wenn man nichts ändert, irrt.

Wir sagen euch an

Gedanken zum dritten Advent

Sehet die dritte Kerze brennt. Beim Fußball wäre heute die zweite Halbzeit angepfiffen worden. Heuer steht die dritte Adventwoche im Zeichen des Lockdown. Dem Einzelhandel wird ein weiterer Stoß versetzt, ein tiefer, denn die letzten zwei Adventwochen sind umsatzstark und der Einzelhandel ohnehin schon ziemlich geschwächt. Die Online-Riesen freut's, denn ihre Lieferförderbänder werden noch mehr beschleunigt. Onlinehandel, die virensichere Alternative. Die Weltbestellmaschine sitzt als Vollsortimenter in jedem Wohnzimmer.

Das macht machen Angst und man spricht von Zerschlagung. Angenommen es gäbe einen Volksentscheid zur Zerschlagung des Online-Riesen. Wie würde der wohl ausgehen? Wenig Aussicht auf Erfolg. Wer würde zerschlagen, was praktischer kaum sein kann. Freilich, der örtliche Einzelhandel. Aber dessen Demontage wurde unter Beifall der Bürger schon längst durch maximale Supermarkterschließung in die Wege geleitet. Und die Internetunfähigen? Vielleicht entsteht demnächst der Beruf des "Besorgers", der Dinge im Internet besorgt, die man selber entweder nicht besorgen kann oder keine Zeit dafür hat. Das wäre wohl mittlerweile eine lukrative Geschäftsidee.

Nun also wieder ab in die Totalbesinnlichkeit. Von Mittwoch in Adventwoche drei an muss alles Lebensunwichtige schließen, die Coronamatte darf sich wieder auf die Häupter legen und der Einzelhandel sich auf  Weihnachten bei Wasser und Brot vorbereiten. Gut, recht viel mehr werden Josef und Maria im Stall zu Bethlehem auch nicht gehabt haben, aber damals konnte man halt Wasser und Brot, seither sind die Ansprüche gestiegen und in dieser Generation haben die Standards klimabedrohliche Ausmaße angenommen. Nur das beste und exotischste darf auf den Tisch und die Urlaubsreise muss geflogen sein, damit sie der Status-Selbsteinstufung gerecht wird. 

Lockdown! Ausgangssperre von 09:00 bis 05:00. Keine Silvesterknallerei. Versammlungsverbot. Kein Alkohol in der Öffentlichkeit. Stille Silvesternacht. Wenigstens Vorsätze für's neue Jahr darf man fassen. Falls man das überhaupt will und sie noch nicht der Erkenntnis des grundsätzlichen Scheiterns solch sektschwangerer Besserungseuphorie zum Opfer fielen. Lockdown! Mal ein paar Gänge zurückschalten und es mit Stille probieren. Immerhin haben wir noch zwei Adventwochen zum Üben, das könnte hin gehen.

 

Krampfhafter Irrtum

Wenn die "Wahrheit" auf tönernen Füßen steht

Dass Tempo 130 gegen jeden Menschenverstand ist, das weiß jeder Verkehrsminister aus Passau und hinter dieser unumstößlichen Wahrheit stehen sicher auch alle Hersteller von Nobelrennsemmeln. Und wenn der Rest der Republik für Tempo 130 ist, dann ist es eine Irrmeinung. Irrmeinungen sind weit verbreitet. So eine Irrmeinung ist auch der Zölibat. Da glauben die allermeisten Menschen, dass der Blödsinn ist, aber auch da irren sie gewaltig, denn der Zölibat wurde der Kirche per Heiliggeistpost von allerhöchster Stelle zugestellt und da kannst du nichts machen. Wenn Gott selber Zölibat will, dann ist das letzte Wort gesprochen. Aber die Konspiration, dass der Zölibat nur wegen des schnöden Mammons eingeführt wurde, ist nicht aus der Welt zu kriegen. Vor allem die Missbrauchsopfer stehen ganz oben auf der Liste der Zölibatszweifler. Hinter ihnen der Großteil der Katholik*innen.

Und siehst du: immer das gleiche Muster. Nur weil der Irrglaube die Mehrheit auf seiner Seite hat, bleibt er trotzdem ein Irrglaube. Nur selten kommt es anders. So zum Beispiel beim Atom, da wussten die demokratischen und die sozialen Christen, dass es ohne Atomstrom zum Blackout kommt und zwar mit maximal parteitreuer Sicherheit. Da konnte die Mehrheit dagegen wettern, wie sie wollte. Ohne Atom kein Licht, das war so sicher, wie das Amen in der Kirche. Und jetzt? Atomstrom bald weg und außerdem E-Mobilität und machbar. Wie konnte das passieren? Wie soll das der nichtselbständig denkende Unionler - und derer gibt es viele - moralisch umsetzen können. Ich kann dir auf Anhieb ein Musterbeispiel eines parteitreuen Atombefürworters sagen, der sich von der Partei bis heute um die unumstößliche Wahrheit betrogen fühlt. Aber das Verrückte - oder soll ich sagen: das Verheerende - ist, dass er der Partei immer noch unverbrüchlich die Treue hält. Für mich klingt das nach krampfhaftem Irrtum. Vielleicht behandelbar, wahrscheinlich aber nicht.

Und so ist das auch mit dem Zölibat. Da wird ein Missbrauchsfall nach dem anderen aufgedeckt, aber der Teppich ist groß und man kann sehr viel darunter kehren. Wenn der Zölibat von Gott befohlen wurde, dann werden das die Missbrauchsopfer ertragen müssen. Schließlich muss Gott gewusst haben, was da kommt. Ein Gott machte Menschen, nicht ein Dilettant. Gott ist allmächtig und allwissend, der war sich schon darüber im Klaren, was er erschaffen wollte. Siehe die anbahnende Klimakatastrophe. Wo der Mensch mit all seinen Gott gegebenen Fähigkeiten auf einmal in der Lage ist, das Klima der Erde nachhaltig zu schädigen und zwar bis zur Unbewohnbarkeit und damit dem Auslöschen der Spezies Mensch. Warum macht Gott das? Eine mögliche Erklärung ist, dass jedes Spiel einmal ein Ende haben muss. Und dass die Menschheit an sich selbst zugrunde geht, ist schon sehr perfide geplant. Eine Meisterleistung. Aber für Gott sicher ein unterhaltsames Schelmenstück. Statte den Menschen mit Gier und Verstand aus und schau mal, was die Oberhand gewinnt. Fair war es nicht, denn bei der Gier hat Gott wohl ein bisschen übertrieben. Also hatte der Mensch eigentlich von Anfang an keine Chance. Allerdings ist das Spiel deshalb interessanter, weil der Untergang von den Protagonisten ausgeht. Bei den Sauriern war das ja anders. Die waren so erfolgreich, dass Gott das Ding mit dem Meteoriten drehen musste.

Zölibatäre sind übrigens von der Sünde des Ressourcendiebstahls befreit. Da sie keine neuen Umweltschädiger in die Welt setzen - mit nicht unerheblichen Ausnahmen - brauchen sie sich in Sachen Ressourcenverschwendung nicht beschränken. Dass sie dabei am Untergang mitarbeiten bleibt also straffrei. Und sollte Gott dereinst tatsächlich über jede verblichene Seele richten müssen, dann können die Zölibatären nur darauf hoffen, dass sich das Zölibatschreiben von 1011 a.D. noch in den göttlichen Archiven befindet. Sonst gnade ihnen ... Ja wer? Gott jedenfalls nicht, denn er wird den Missbrauch in seinem Namen wohl kaum zu würdigen wissen. Und dann geht es mit über Tempo 130 ab in die andere Fraktion, in die heißere.

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